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30 JAHRE DER FRANZOSE IN VECHTA

Ansgar Olberding mit 18Ende Februar 2018, in Norddeutschland ist seit Tagen schönstes Winterwetter. Sehr kalt, sogar über Tag bleibt die Temperatur unter 0 Grad. Dabei scheint die Sonne, und keine Wolke trübt Himmel oder Gemüt. Genau das richtige klare Wetter, um mal wieder die Heizleistung der Ente zu überprüfen. Und zu testen, ob ein montierter Winterschutz einen Unterschied macht oder nicht. Gesagt getan. Schon nach wenigen Kilometern bringe ich doch lieber den Winterschutz an - man wird halt älter... Und schon kann ich es wieder richtig genießen, dieses wohlige, gemütliche, entspannte Ententempo.

Ich ertappe mich dabei, wie ich an über 30 Jahre zurückliegende Zeiten denke. Wie es in meiner Jugend war, mit der Ente zu fahren. Damals, eine Ente für ganz wenig Geld, in sehr schlechtem Zustand zwar, aber sie war meine Freiheit, sie war der Gegenentwurf zu den ganzen spießigen Mercedes, Opel und Ford die hier herumfuhren. Und sie war mein Taxi zur Discothek, zur Kneipe, zur Freundin. Gelernt hatte ich KFZ-Mechaniker bei Mercedes. Dort durfte ich die Ente nicht mal auf dem Firmengelände parken. Im Betrieb musste ich immer eine Mütze tragen, nur weil ich die - damals noch vollen - Haare schwarz gefärbt und mit viel Seife hochfrisiert hatte: Haargel, konnte ich mir damals nicht leisten.

Alle meine Kumpels fuhren damals irgendwie alte französische Autos oder auch mal Mercedes Bestattungswagen. Das war ein Ausdruck der Rebellion der 1980iger Jahre. Da schien es eine super Idee zu sein, mich zusammen mit meiner damaligen Freundin selbstständig zu machen und mit Citroën 2CV-Ersatzteilen zu handeln. Davon kann man bestimmt irgendwie leben, das wird schon, dachten wir. Wir waren jung, unerfahren, lebenshungrig und wollten nur das tun, wozu wir wirklich Lust hatten. Tja, das ist jetzt auch schon wieder 30 Jahre her. Voller Enthusiasmus, ja nahezu euphorisch sind wir gestartet in unserer Wohngemeinschaft auf dem Bauernhof. Wir fühlten uns sensationell, waren in einem echten Hoch, doch leider nicht allzu lange: nur ein paar Jahre später kam das Tief. Die Kumpels fuhren nun moderne Autos, bauten Häuser, bekamen Nachwuchs.

Und wir? Wir fuhren immer noch 2CV oder alte Peugeot und Alfa. Kein Haus, keine Kinder, kein Geld. Dafür aber 65 Stunden Arbeit die Woche und ein Sack voller Sorgen.Ansgar Umzug 80er
Heute, mit dem nötigen Abstand, kann ich das sagen: manchmal muss man tief fallen, um wieder richtig aufzustehen. Und so folgte auch auf unser erstes Tief ein Aufstehen und schließlich ein Hoch. Und dieses Hoch hält nun schon lange an.

Vielleicht hat die Schule der 1980iger Jahre, das Anderssein, das Rebellieren den Boden dafür bereitet, auf jeden Fall genieße ich das Leben derzeit. Trotz des Älterwerdens. Das ja durchaus auch etwas Gutes hat: man nimmt Vieles nicht mehr so wichtig und geht die Dinge einfach anders, entspannter an.

Geschäftlich läuft bei uns alles rund, und das ist schön. Ich genieße es, mit netten Kolleginnen und Kollegen zusammen zu arbeiten. Natürlich ärgere ich mich auch mal über dieses oder jenes ein wenig, aber abends lachen wir alle zusammen, und das ist wirklich wichtig im Leben. Und ich leiste es mir, mit dem 2CV zu fahren (okay, da warten auch noch einige DS, R4 oder Peugeot und Alfa auf Bewegung), ich leiste es mir, in fast allen Bereichen auf den digitalen Wahnsinn zu verzichten und ich leiste es mir, das zu tun, wozu ich Lust habe.

Zurück in die Gegenwart: Hm, in meiner Erinnerung war die Heizung der Ente aber besser. Mir fröstelt etwas, und irgendwie zieht es auch ein wenig. Bin ich doch schon so alt? Ich ziehe es vor, in die vorgewärmte Werkstatt zurück zu fahren. Auf dem Weg dorthin mach ich noch ein bisschen Musik an: The Cure läuft. Was für ein toller Abend, auch wenn es saukalt war.

Dafür, dass ich das heute sagen kann, bin ich vielen Menschen zu Dank verpflichtet. Und auch das gehört zu den schönen Seiten des Älterwerdens: man empfindet Wertschätzung nicht nur intensiver, man mag sie auch zum Ausdruck bringen.
Ich möchte meinen tollen Mitarbeitern danken, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre. Ich danke meine ehemaligen Freundin und heutigen Ehefrau dafür, dass ich immer das machen durfte, was ich wollte. Ich danke ihr aber auch für die jederzeit tolle Beratung, Unterstützung und für das gelegentliche Einbremsen. Und nicht zuletzt danke ich meinen Eltern, die uns das haben machen lassen, was wir meinten tun zu müssen: nur deshalb konnten wir uns unseren Freigeist erhalten.
Und auch, wenn Eigenlob stinkt: ich bin schon froh darüber und auch ein wenig stolz darauf, dass ich es geschafft habe, meinen persönlichen Lebenseinstellungen zu folgen und mich nicht den vielen Zwängen, dem Digitalwahnsinn und den zahllosen Verpflichtungen zu unterwerfen. So kann es weiter gehen.

Lassen Sie uns also gemeinsam schauen, was die nächsten 30 Jahre bringen.
Ansgar Olberding
Chef
Ansgar Olberding 30 Jahre Der Franzose