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Ein Traum ? - Ein Alptraum ? Oder doch ein wenig Wahrheit?

Liebe Franzosenfreunde, chers amis, voilà la vie :
Ich sitze in meiner Werkstatt, die göttliche DS in meinem Rücken. Das Peugeot 204 Cabrio auf der Hebebühne wartet darauf, von mir sein öliges Lebenselixier eingefüllt zu bekommen. Die Sonne scheint durch die Sprossenfenster. Eigentlich schön, aber… So ein Mist, denke ich mir, entgegen aller Wetterprognosen regnet und stürmt es gar nicht, da muss ich wohl für den Familienfrieden heute noch draußen das Laub weg machen…
In diesem Moment kommt meine Frau mit unserem Hund herein. Ich ahne Böses: das Abholkommando für den Gartendienst!?  Ich drehe  „Rammstein“ auf ein erträgliches Maß herunter, da sehe ich eine Träne in ihren Augen. Sie hat starke Zahnschmerzen. Ich nehme meine Gattin in den Arm, sage: „Schatz, das ist doch nicht so schlimm. Komm rein und setz dich, ich krieg das schon hin“. Denn, wie wir alle wissen: selbst ist der Mann!
Ansgar Olberding Peugeot Stehtoskop 
In Erwartung dessen, was kommen wird, fessele ich die Liebste mit Kabelbindern an den Stuhl, drehe „AC/DC“  richtig laut auf und haue ihr mit dem Gummihammer auf den Kopf. Sie ist ohnmächtig, und das war ja auch Zweck der Übung. Ich greife mir die Gripzange und sperre ihr den Mund auf. Jetzt schnell die LED-Kopflampe übergestreift, und dann ein gründlicher Blick auf das Dilemma.  Aha, hinten links sieht es gar nicht gut aus. Ich schnappe mir die kleine Feinmechanik- Bohrmaschine mit der flexiblen Bohrwelle, eine Spitzzange und das Skalpell, das mir beim Teppichschneiden für die DS so gute Dienste erwiesen hat. Frisch ans Werk, sage ich mir, und bohre an dem schadhaften Zahn herum. Ich rutsche ab und treffe das Zahnfleisch. Uuups! Schnell die Saugbecherpistole her, abgesaugt und nachgeschaut. Hmm, da habe ich wohl den Gaumen und auch noch den falschen Zahn erwischt. Mist, aber das hilft ja nichts - der faule Zahn muss weg. Mit der Kombizange geht das, jedenfalls nachdem ich das Wälzlagerfett abgeputzt habe, erstaunlich gut. Ein Ruck, und der faule Lümmel ist aus seinem Kieferbett befreit. Aber…Schiet: Beim Lösen des Zahnes ratsche ich mir den Handrücken an ihren Schneidezähnen auf. Hätte ich nur Handschuhe angezogen! In diesem Moment röchelt meine Frau. Oh, sie ist wieder wach, habe ich gar nicht gemerkt!  Sagen kann sie ja nichts, die Gripzange sperrt ihr immer noch energisch den Mund auf. Und schlagen kann sie auch nicht, die Kabelbinder tun unbeeindruckt ihren Dienst. Also haue ich meiner Gattin schnell noch einmal mit dem Gummihammer auf den Kopf, dann schneide ich sie los und desinfiziere ihre und meine Wunden mit Bremsenreiniger…

Liebe Freunde, sicher fragen Sie sich jetzt, ob ich beim Schreiben dieses Textes zu viel vin rouge oder Calvados intus hatte. Non messieurs. Warum ich Ihnen diesen Blödsinn dann erzähle? Nun, Sie denken wie ich: Keiner von uns würde sich selbst an die Beißer der Liebsten trauen, der des Zahnarzts ist nicht umsonst ein sehr ehrbarer Beruf, für den man Jahre lang lernen muss. Und genau das muss man auch für die Berufe „Kfz-Mechaniker“, „Kfz-Elektriker“, „Lackierer“ und „Sattler“. Zählt man die vier Berufe zusammen, sprechen wir über 12 Jahre Ausbildung, also fast doppelt so lang wie das Zahnarzt-studium üblicherweise dauert.

Und jetzt mal ganz ehrlich: Sind wir nicht immer öfter selbst der Zahnarzt unserer automobilen Schätze? Dabei, Hand aufs Herz:  Wissen Sie, dass Korkdichtungen vor dem Einbau 24 Stunden in Öl gelegt werden müssen? Wissen Sie, was ein Schließwinkel ist, eine Zweikreisbremsanlage oder eine Simplexbremse? Wissen Sie, warum der Kühlerdeckel mal eine Dichtung haben  muss und mal nicht? Können Sie den Zündzeitpunkt oder einen massegeregelten Lichtmaschinenregler erklären? Wissen Sie, was ein Schwimmerstand im Vergaser bewirkt oder was eine Dehnschraube ist? Fragen über Fragen…

Unsere Überzeugung lautet deshalb: Vor dem Schrauben, lieber Oldtimerfreund, sollte das Lesen, das sich Informieren und das Fragen stehen. Und es ist keine Schande, sondern eher ein Zeichen von Vernunft, schwierige Arbeiten an Fachleute abzugeben. Auch wenn manche TV- Sendung über Autos anderes suggeriert.

Ach ja, mes amis: Meiner Frau geht es übrigens bestens, sie kommt gerade von der profilaktischen Zahnreinigung und wollte mir nur sagen, dass es heute später Kaffee und Kuchen gibt, da sie jetzt 2 Stunden lang nicht kauen darf. Das Leben kann so schön sein! Lassen Sie es uns genießen!
Salut, au revoir et une bonne anneé!
Ansgar Olberding